Logo der Universität Passau

3 Rezeption des römischen Rechts

3. Rezeption des römischen Rechts

3.1 Scholaren- und Professorenprivileg

Quellentext

aus: Authentica "Habita” vom Ronkalischen Reichstag 1158; in: Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit I2 (1913), Nr. 14.

Nach hierüber eingehend durch Bischöfe, Äbte, Herzöge, Grafen, Richter und andere Große Unseres kaiserlichen Palastes durchgeführter Prüfung begnaden Wir alle, die als Scholaren der Studien wegen reisen, vornehmlich aber die Professoren der göttlichen und kaiserlichen Gesetze mit dieser Wohltat Unserer Gnade, daß sowohl sie selbst wie ihre Boten in die Orte, in denen wissenschaftliche Studien betrieben werden, kommen und dort wohnen dürfen. Für richtig halten Wir es nämlich, daß alle, die Gutes tun, Unser Lob und Unseres Schutzes bedürfen, um so mehr diejenigen, durch deren Wissenschaft die Welt erleuchtet wird und die Untertanen zum Gehorsam gegen Gott und Uns, Gottes Diener, geleitet werden, weshalb Wir sie mit besonderer Huld gegen jedes Unrecht verteidigen. Wer erbarme sich nicht jener, die aus Liebe zur Wissenschaft heimatlos, aus Reichen Arme geworden sind, sich selbst verzehren, ihr Leben vielen Gefahren aussetzen und von niedrigsten Menschen, was sehr betrüben muß, ohne jeden Grund körperlichem Unrecht ausgesetzt sind! Durch dieses allgemeine und für alle Ewigkeit geltende Gesetz verordnen Wir also, daß künftig niemand sich herausnehmen darf, irgendeinem Scholaren Unrecht zuzufügen oder wegen der Schuld eines anderen Landes, wovon Wir gehört haben, daß dergleichen aus schlechter Gewohnheit geschehen ist, ihm Schaden zugefügt werde . . . Wer jedoch wegen irgendeiner Angelegenheit die Scholaren verklagen will, so soll er sie, nach Wahl der Scholaren, vor ihrem Herrn und Meister oder dem Bischof jener Stadt anklagen, denen Wir diese Gerichtsbarkeit verliehen haben.

Weiterführende Literatur

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Universitäten, Sp. 492 ff.

- L. Lutz (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, München 1989, Art. Universität, Sp. 1249 ff.

- H. Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, München 1997, S. 16 ff, 35 ff.

3.2 Die Methode der Glossatoren

Quellentext

nach: H. Hattenhauer / A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, München 1967, S. 32 f.

Praemitto, scindo, summo casumque figuro / Perlego, do causas, connoto, objicio.

Ich mache die Vorbemerkung, zergliedere den Text / fasse den wesentlichen Inhalt kurz zusammen / bilde Beispielsfälle / lese kritisch den Text / begründe / mache allgemeine Anmerkungen / und kläre Streitfragen.

Weiterführende Literatur

- L. Lutz (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, München 1989, Art. Glossen, Sp. 1508 ff.

- A. Erler / E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Glossatoren, Sp. 1708 ff.

- H. Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, München 1997, S. 111 ff.

3.3 Summe des Irnerius: Über Miete, Pacht und Dienstvertrag

Quellentext

aus: H. Hattenhauer / A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, München 1967, S. 33 f.

Distinctio: Man vermietet zuweilen seine Sachen, zuweilen Dienste, zuweilen Sache und Dienst. Wenn jemand seine Sache vermietet, so kann es entweder an ihm oder an einem von ihm zu vertretenden Zufall liegen, daß der Mieter seine Sache nicht benutzen kann und gleichwohl durch die actio locati verpflichtet wird. Im ersten Fall aber, wenn es nämlich an ihm liegt, schuldet er Schadensersatz, zu dem auch der entgangene Gewinn gerechnet wird, oder die vereinbarte Vertragsstrafe, wenn der Mieter den Mietzins gezahlt hat, und die Sache vertragsgemäß behandelt und keinen vertragswidrigen Gebrauch von ihr gemacht hat (vergl. Cod. 4, 65, 3 u. 15; Dig. 19, 2, 15; 19, 2, 54; 19, 2, 15, 7; 19, 2, 33; 19, 2, 24, 4). Im zweiten Fall, wenn es nämlich an einem Zufall liegt, muß der Mietzins pro rata erlassen oder zurückerstattet werden, etwa dann, wenn ein gemietetes Gebäude zerstört oder Land durch ein Erdbeben verwüstet wird (Dig. 19, 2, 9; 19, 2, 15; 19, 2, 19, 9; 19, 2, 15, 6; 19, 2, 30, 1). Das gleiche gilt, wenn der Vermieter die vermietete Sache aus Not zerstört oder wenn er dringenden Eigenbedarf nachgewiesen hat; ferner wenn der Mieter die gemietete Sache aus begründeter Furcht verläßt oder wenn er von demjenigen am Sachgebrauch gehindert wird, den der Vermieter wegen größerer Gewalt und Überlegenheit nicht daran hindern kann (vergl. Dig. 19, 2, 30; 19, 2, 33; 19, 2, 34; 19, 2, 35; 19, 2, 27; Cod. 4, 65, 43 [?]).

Wenn es aber am Mieter oder an einem von ihm zu vertretenden Zufall liegt, daß er die gemietete Sache nicht benutzen kann, bleibt er zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet (vergl. Dig. 19, 2, 61).

Wenn aber jemand seine Dienstleistungen vermietet oder eine Sache und Dienstleistungen zugleich, und es nicht an ihm liegt, daß er nicht leisten kann, sondern am Berechtigten, der durch Zufall gehindert wird, so ist die Vergütung für die ganze Zeit zu entrichten.

Wenn es aber am Verpflichteten liegt, daß er seine Dienste nicht leistet, oder an einem von ihm zu vertretenden Zufall, so schuldet er im ersten Fall Schadensersatz und muß den Dienstlohn auch für den Teil der Zeit zurückerstatten, in der er die Dienste geleistet hat (vergl. Cod. 4, 65, 14; Dig. 19, 2, 13, 4 [?]; Cod. 4, 6, 11).

Weiterführende Literatur

- M. Stolleis (Hrsg.)/P. Weimar, Ein biographisches Lexikon, Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 315.

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Glossatoren, Sp. 1709.

- H. Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, München 1997, S. 154 ff.

3.4 Glossa Ordinaria des Accursius

Quellentext

nach: H. Hattenhauer/A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, München 1967, S. 45.

Dig. 12, 1, 18: Ulpian im siebenten Buch seiner Erörterungen: Wenn ich dir schenkungshalber Geld gebe und du es als Darlehn annimmst, dann glaubt Julian, daß es sich nicht um eine Schenkung handele. Aber es ist die Frage, ob nicht ein Darlehn vorliegt. Ich glaube vielmehr, daß auch kein Darlehn vorliegt und das Geld auch nicht Eigentum des Empfängers wird, da er es in einer anderen Vorstellung empfangen hat. Wenn er es daher verbraucht, so besteht zwar ein Bereicherungsanspruch gegen ihn: er kann jedoch die Einrede der Arglist geltend machen, da das Geld nach dem Willen des Gebers verbraucht worden ist.

Glosse: "Wenn ich.” Rechtsfall. Du hast von mir ein Darlehn erbeten. Ich habe es dir nicht darlehnshalber sondern schenkungshalber gezahlt. Du aber glaubst, ich hätte ein Darlehn gegeben. Ist es eine Schenkung oder ein Darlehn? Es ist weder eine Schenkung noch ein Darlehn. Aber wenn das Geld verbraucht ist, ist es geschuldetes Geld. Aber mir steht die Einrede der Schenkung entgegen, weil nämlich das Geld verbraucht ist und ich gewollt und gewußt habe, daß es nicht zurückverlangt werden sollte. Dasselbe gilt für die folgenden Fälle. Aber in ihnen steht dem Fordernden keine Einrede entgegen. Wie im obigen Fall wird das Darlehn durch den Verbrauch des Geldes wiederhergestellt.

Vivianus Tuscus.

"Nicht wird.” Allerdings scheint es doch sein Eigentum zu werden. Denn wir sind uns über die Sache und über die Eigentumsübertragung einig, über den Rechtsgrund freilich sind wir uns nicht einig. Vergl. aber die anderslautende Stelle Dig. 41, 1, 36. Lösung: Hier bestand ein bestimmter Rechtsgrund, auf Grund dessen allein die Eigentumsübertragung vorgenommen werden sollte: nämlich die Schenkung. Er wollte ihm die Sache aus keinem anderen Rechtssgrund zuwenden. Dort wollte er sie gegebenenfalls auch auf andere Weise dem anderen zuwenden. Anders ausgedrückt: dort war der Übergabe ein Schenkungsversprechen oder eine Schuld vorausgegangen. Von daher ist es nur möglich, daß es als Geschenk übergeben wird, du es als geschuldet annimmst und es dennoch dein Eigentum wird. Vergl. Dig. 18, 1, 9. Hier aber ist der Fall als eine zukünftige Schenkung aufzufassen, und man kann sagen, daß es Irrtümer sind, die die Verträge unwirksam machen. Vergl. Dig. 18, 1, 19.

Accursius.

Weiterführende Literatur

- M. Stolleis (Hrsg.)/P. Weimar, Ein biographisches Lexikon, Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 18.

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Glossatoren, Sp. 1711.

3.5 Postglossatoren / Konsiliatoren: Bartolus und Baldus

Quellentext

Es ist Naturrecht und im Neuen und Alten Testament offenkundig gebilligt, daß Zinsen verboten sind, durch die Heiligsten Schriften der göttlichen Schrift, auch Autoritäten und Vernunft geboten. Denn Zinsen sind gewinnbringende Ausbeutung wider die Natur, die vor allem beim Darlehnsvertrag vorkommt, andererseits aber nenne ich es gewinnbringend, daß nicht eingeschlossen ist das lnteresse, der Schaden oder der Nachteil der Gläubiger wegen Verzuges oder Verschulden etc. Denn das ist kein Zins, sondern Zufall, D 26, 7, 58 pr. Ebenso nenne ich es Beutelschneiderei, weil jeder Zinsnehmer ein Räuber ist. Hier erkenne ich mehrere Ähnlichkeiten. Denn der Zinsnehmer ist dem Häretiker ähnlich. Wenn er glaubt keine Sünde zu begehen, so ist er doch Häretiker. Aber wenn er glaubt es sei Sünde, dann ist er Räuber. Jedenfalls ist er - ob er es nun glaubt oder nicht - einem Aussätzigen vergleichbar, der durch die Berührung mit der Krankheit andere infiziert. Und die Zinsnehmer sind eben Aussätzige und müssen aus der Gemeinschaft der Gesunden ausgeschlossen werden, weil schlechte Sitten den öffentlichen Angelegenheiten fernzuhalten sind, vgl. le. 2 und 3 aaO., wo sogar gesagt werden kann, daß sich der Zinsnehmer wider die Natur der Dinge versündigt, weil es nach der Natur unmöglich ist, daß etwas, was einmal Eines ist, zweimal Eines sein kann. Warum also werden Zinsen gesetzlich erlaubt? Ich antworte, dies ist, weil damit verbunden ist, daß ein Zweifel ausgetauscht wird: lch glaube wegen des wahren und gewissen lnteresses, daß kein Zweifel, auch nicht in Mehrdeutigkeiten festgesetzt ist, vergleiche D 5, 19, 16.

Deswegen akzeptieren Herrscher und Gesetze die Zinsen, nicht wegen Abneigung zum Seelenheil, sondern wegen der Einsicht in die Notwendigkeit, denn ohne Geld kann man nicht leben, D 32, 1, 79, und niemand will umsonst sein Geld verleihen, weshalb man von der Notwendigkeit zu Zinsen kommt... und zutreffend nennt es die Schrift Gefräßigkeit, denn der Zinsnehmer ähnelt einem Holzwurm, wenn auch der Holzwurm das Angenagte sanft berührt, so hat er doch so harte Zähne, daß er jedes Holz anknabbert und verschlingt. So ist auch der Zinsnehmer ein Wurm, der Erbvermögen verschlingt.

Weiterführende Literatur

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Postglossatoren, Sp. 1842 ff; Art. Baldus de Ubaldis, Sp. 285 ff; Art. Bartolus de Saxoferrato, Sp. 319 ff.

- M. Stolleis (Hrsg.)/P. Weimar, Ein biographisches Lexikon, Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 58 ff (Baldus); S. 67 ff (Bartolus).

3.6 Gutachten des Thomas von Aquino (1262): Distanzkauf und gerechter Preis

Quellentext

nach: K. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250-1650), Oplanden 19897, S. 92 f.

Seinem in Christus geliebten Bruder Jacob von Viterbo, Lektor in Florenz, Bruder Thomas von Aquino Grüße!

I. Ich habe Eure Briefe zu einigen Fällen erhalten, über die Ihr des Elekten von Capua [Marinus von Eboli, gewählter, aber noch nicht investierter Erzbischof von Capua] und meine Ansicht erbeten habt. Nachdem ich darüber mit dem Elekten von Capua und danach mit dem Herrn Kardinal Hugo [von St. Cher] Rücksprache gehalten habe, möchte ich zum ersten Fall folgendermaßen Stellung nehmen:

Unterstellt, daß die dargelegte Gewohnheit einer dreimonatigen Zahlungsfrist dem allgemeinen Wohl der Kaufleute, nämlich der Beförderung des Handels, dienen soll, und nicht der Umgehung des Wucherverbots, so ist hier zu unterscheiden. Denn entweder verkauft der Verkäufer seine Waren zum genannten Termin wegen des Zahlungsaufschubes zu einem höheren als dem gerechten Preis, oder gerade zum gerechten Preis.

Im ersten Falle ist es nicht zweifelhaft, daß der Vertrag wucherisch ist, weil der Zahlungsaufschub im Preis berücksichtigt worden ist. Es ist auch keine Entschuldigung, wenn für den Verkäufer ein Handlungsdiener den Vertrag geschlossen hat, denn auf keinen Fall darf wegen des Zahlungsaufschubes der Preis erhöht werden.

Im zweiten Falle handelt es sich dagegen nicht um Wucher. Es steht nichts entgegen, die Ware für einen geringeren Preis herzugeben, wenn dieser sofort entrichtet wird. Man findet dies entsprechend auch bei anderen Verbindlichkeiten; denn wenn jemandem etwas zu einem bestimmten Termin geschuldet wird, und er gewährt einen Nachlaß auf die Schuldsumme, falls ihm früher gezahlt wird, so steht es fest, daß dieser Gläubiger von der Sünde des Wuchers gänzlich frei ist. Eine höhere Leistung zu empfangen wegen des Zeitaufschubs, schmeckt nach Wucher, während es nicht nach Wucher schmeckt, wenn man weniger nimmt damit schneller gezahlt wird - jedenfalls nicht auf seiten des Gläubigers, der weniger bekommt, während auf seiten des Schuldners, der weniger gibt, um früher zu zahlen, ein gewisses Maß von Wucher vorliegt, weil er ein Stück Zeit verkauft. Daher hätte im vorliegenden Fall der Käufer, der das Tuch zum rechten Marktpreis kauft, aber weniger entrichtet, weil er vor Ablauf der drei Monate zahlt, den Wuchervorwurf mehr zu fürchten als der Verkäufer, der weniger nimmt, damit ihm früher gezahlt wird.

II. Daraus ergibt sich auch, was zum zweiten Fall zu sagen ist. Denn wenn die toskanischen Kaufleute, die von der Messe von Lagny Tuch importieren und bis Himmelfahrt Zahlungsaufschub gewähren, dieses Tuch teurer verkaufen als zum gemeinen Marktpreis, so ist dies zweifellos Wucher. Wenn sie es aber nicht zum überhöhten Preis verkaufen, sondern nach seinem Wert, und lediglich zu einem höheren Betrage, als sie bei rechtzeitiger Zahlung erhalten, dann ist es kein Wucher.

III. Im dritten Falle muß man, scheint mir, das gleiche sagen. Denn wenn die Kaufleute [am Messeplatz] eine Geldsumme als Darlehen gegen Zins aufnehmen und diesen Zins wieder hereinholen wollen, indem sie [in der Toskana] das Tuch über seinem Marktpreis verkaufen wegen des erwähnten Zahlungsaufschubs so ist dies unzweifelhaft Wucher, weil offensichtlich Zeit verkauft wird. Sie können sich nicht damit entschuldigen, daß sie sich lediglich schadlos halten wollten, denn niemand darf einen Schaden dadurch vermeiden, daß er eine Todsünde begeht. Und obgleich man Unkosten, die man erlaubterweise aufgewendet hat, etwa für den Transport des Tuches, auch beim Verkauf wieder hereinholen darf, dürfen sie doch die aufgewendeten Zinsen nicht wieder einbringen, denn sie haben sie zu Unrecht gezahlt. Vor allem haben sie durch die Zinszahlung gesündigt, indem sie dadurch den Zinsnehmern Gelegenheit zur Sünde gaben, denn die behauptete Notwendigkeit, anständig zu leben und größere Geschäfte zu machen, ist nicht so zwingend, daß sie zur Entschuldigung dieser Sünde ausreichte. Das ergibt sich auch aus einem Vergleich: niemand darf beim Tuchverkauf Aufwendungen wieder einzubringen versuchen, die er unvorsichtig und unbesonnen gemacht hat.

IV. Aus dem Gesagten folgt auch, was im vierten Fall gefragt wurde. Denn wer zu einem bestimmten Termin schuldet, handelt wucherisch, wenn er vor dem Termin zahlt, um einen Schuldnachlaß zu erlangen, weil er offenbar den Zahlungstermin für Geld verkauft. Er ist daher zum Schadenersatz verpflichtet. Er wird auch nicht dadurch entschuldigt, daß er durch die vorzeitige Zahlung einen Nachteil erlitten habe, oder daß ihn ein anderer hierzu verleitet habe, denn aus diesem Grunde könnten sonst alle Wucherer entschuldigt werden.

Das ist meine und der erwähnten, nämlich des Elekten von Capua und des Kardinals Hugo, feste und entschiedene Ansicht zu den genannten Fällen. Lebe wohl !

Weiterführende Literatur

- L. Lutz (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, München 1989, Art. Thomas v. Aquin, Sp. 706 ff.

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Markt und Stadt, Sp. 330 ff; Art. Kauf, Sp. 675 ff.

3.7 Zinsverbot

Quellentext: Handelsdarlehen zur Kölner Messe: Rechtsgutachten eines Mainzers Rabbiners (um 960-1028)

aus: K. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 1 (bis 1250), Opladen 199010, S. 119.

Rabbi Salomo erklärt im Namen des Rabbi Gerschom zu Mainz: "Nicht darf man sich so benehmen, wie man sich in Deutschland benimmt, nämlich daß man für die Messe in Köln jemandem eine Silbermünze, die 12 Unzen beträgt, gibt und sich dafür in seiner Herberge in Mainz oder Worms, wenn sie zurückkehren, 13 Unzen geben läßt. Man darf nicht 13 Unzen nehmen, es sei denn, daß der Gläubiger die Ware, welche der Schuldner für dieses Geld gekauft hat, auf sein Risiko nimmt, bis zu der Stelle, wo er das Geld empfängt, dann kann er 13 Unzen empfangen.”

Zitat: Benvenuto de Rambaldis

"Qui facit usuram, vadit ad infernum, qui nun facit, vergit ad inopiam.”

Weiterführende Literatur

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Zins, Sp. 1707 ff.

3.8 Einfluß des römisch-kanonischen Rechts auf den Prozeß

Quellentext: Reichskammergerichtsordnung von 1495

aus: H. Hattenhauer/A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, München 1967, S. 97 f.

Die Reichskammergerichtsassessoren hatten zu urteilen "nach des Reichs gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbern und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnhaiten der Fürstenthumb, Herrschaften und Gericht, die für sy pracht werden”.

Zitate / Rechtssprichworte

Rechtssprichwort, das den grundsätzlichen Vorrang des partikulären Rechts vor dem gemeinen Recht ausdrückt: "Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht”.

Dem Bartolus (1314-57) zugeschriebener Satz, der die Anwendbarkeit des partikulären Rechts einschränkt: "Statuta sunt stricte interpretanda”.

Grundsatz, der beim Reichskammergericht nur für das gemeine, nicht auch für das partikuläre Recht galt: "Curia novit iura”.

Weitere Prozeßgrundsätze: "Da mihi facta, dabo tibi ius.” "Quod non est in actis, non est in mundo”.

Weiterführende Literatur

- K.-P. Schroeder, Das Reichskammergericht, JuS 1978, 368 ff.

- G.K. Schmelzeisen, Der Reichshofrat, JuS 1975, 427 ff.

- A. Laufs, Frieden durch Recht - Der Wormser Reichstag 1495, JuS 1995, 665 ff.

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Reichskammergericht, Sp. 655 ff.

- L. Lutz (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, München 1989, Art. Reichskammergericht, -ordnungen, Sp. 626 ff.

3.9 Sächsisches/Lübische Recht

Quellentext: Erbenlaub bei Grundstücksübertragung im Sachsenspiegel (ca. 1230)

Ldr. I 52 § 1: "Âne erven gelof unde âne echt dink ne mût nieman sîn eigen noch sîne lûte geben.” (Ohne Erbenlaub und ohne echtes Ding kann niemand sein Eigen noch seine Leute verschenken.)

Quellentext: Aus den Materialien zu den kursächsischen Konstitutionen (1572)

aus: K. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250-1650), Opladen 1980, S. 238, 239.

Quaestio LXIII.

Ob nicht Articul. 52. Iib. prim. Landtrecht /von Vergebung der Stammguetter / daß dieselbe ohne der Erben Laub nicht geschehen solle / reden / allein auff die schlechten donationes zu restringiren etc.

1. Zusammenfassung. 1. Zu merken, daß dieses Stück von Eigengütern redet, die von unseren Vorfahren erworben wurden, 2. und daß der Text nur vom Schenkungsvertrag spricht. 3. Städtische Satzungen sind eng auszulegen. 4. Daher ist der genannte Text nur auf die eigentliche schlichte Schenkung zu beziehen, 5. nicht auf die Schenkung von Todes wegen, die Pflichtschenkung, Zweckschenkung oder Gegengabe. 6. Das Wort bezieht sich auf alle Erben. 7. Die Veräußerung der Stammgüter, soweit sie gestattet werden kann, darf nicht zu Lasten des Pflichtteils gehen. 8. Und wenn die Schenkung über 500 Schillinge beträgt, bedarf es der Einreichung zu den Akten.

Weil dieser Text saht / daß ohne der Erben Laub keiner sein eygen / (das ist / wie es gemeinlich verstanden wird / Stammguetter) vergeben kuenne / so ist es anfaenglich zu mercken / daß Stammgutter solche Guetter seyen / welche der donator nicht selbst acquirirt / oder erlangt / sondern die von seinen Vorfahren / als dem Vatter / Großvatter und dergleichen gewonnen / und von denselben ihren Ursprung haben / quemadmodum in simili feudum antiquum disitur, quod a patre, vel aliis superioribus stipitis communis est acquisitum.

Zum andern ist ferrner darauff wol Achtung zu haben / daß der Text redet von Vergebung der Guetter / sicque de donatione.

2. wie man auch als altes Lehen bezeichnet, was vom Vater oder von anderen gemeinsamen Stammvätern erworben wurde.

3. das heißt von der Schenkung. Und weil sowohl städtisches wie territoriales Satzungsrecht eng auszulegen ist (D. 14, 1, 1, 20; D. 29, 1, 2, 1 und Jason zu D. 28, 6, 1), folgt daraus, daß dieser Text auf die eigentliche Schenkung oder auch nur auf die einfache zu beziehen ist. Bartolus zu D. 39, 5, 1, wo er ausdrücklich schreibt, daß eine Satzung die die Schenkungen regelt, nur auf die eigentlichen Schenkungen bezogen werden darf. Deshalb kann auch diese Satzung sächsischen Rechts (von der wir hier reden) auch nicht die Schenkung von Todes wegen mit umfassen, zumal diese in bezug auf ihre Wirkung den Charakter einer letztwilligen Verfügung hat (Gloss. zu D. 33, 4, 2), noch die uneigentliche Schenkung, die auf Grund einer Verpflichtung zu geschehen pflegt (denn wer notwendige Lasten auf sich nimmt, der schenkt nicht: D. 24, 1, 2, 1), oder die gegenseitige Schenkung, die eher eine Gegenleistung oder ein Entgelt ist als eine Schenkung (D. 9, 2; 39, 5) noch auch die Übertragung oder Veräußerung allgemein.

So solte unsers Erachtens das Wort / Erbe / nicht auff alle Erben in gemein zu extendiren / sondern allein auff die dessendentes zu restringiren seyn. Ut, quoad eius fieri potest, quam minimum laedatur ios commune, argumento l. si quando in prin. C. de offic. in testamen.

4. Soweit das nämlich geschehen kann, wird das Gemeine Recht am wenigsten beeinträchtigt, (arg. ?).

Weiterführende Literatur

- M. Lipp, Recht und Rechtswissenschaft im früh-neuzeitlichen Kursachsen - Zur 400jährigen Wiederkehr des Geburtstags von Benedict Carzov (1595-1666), JuS 1995, 387, 391.

- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Erbenlaub, Sp. 955 ff; Art. Kursächsische Konstitutionen, Sp. 1304 ff.

zurück

Ich bin damit einverstanden, dass beim Abspielen des Videos eine Verbindung zum Server von Vimeo hergestellt wird und dabei personenbezogenen Daten (z.B. Ihre IP-Adresse) übermittelt werden.
Ich bin damit einverstanden, dass beim Abspielen des Videos eine Verbindung zum Server von YouTube hergestellt wird und dabei personenbezogenen Daten (z.B. Ihre IP-Adresse) übermittelt werden.
Video anzeigen