Tagung Junges Forum Rechtsphilosophie (JFR) 2014
In Kooperation des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie (Prof. Dr. Armin Engländer) und dem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie und Rechtsphilosophie (Prof. Dr. Jochen Bung) fand am 24. und 25. September 2014 die 21. JFR-Tagung (Junges Forum Rechtsphilosophie) statt.
Hier finden Sie Impressionen der Tagung.
Die Tagung beschäftigt sich mit dem Problem, ob aus der „Natur des Menschen“ – wenn es denn eine solche gibt – Anforderungen an das Recht erwachsen. Können diesbezüglich anthropologische oder psychologische Erkenntnisse bei der Festlegung helfen? Es stellt sich die Frage, inwieweit diese „Natur des Menschen“ zu bedienen und inwiefern gerade zu überwinden ist. Sind evolutorisch einleuchtende Einrichtungen erhaltenswert – oder können sie höchstens erklären, nie aber legitimieren?
Will man aus „Natur“ Recht folgern, klingt dies nach der Ableitung eines Sollens aus einem Sein. Geht dieser Schluss fehl? Oder ist er vielleicht deshalb zulässig, weil man beim Betrachten des „Wesens des Menschen“ keineswegs ein nacktes Sein unter die Lupe nimmt, sondern bereits ein von Wertungen durchdrungenes, interpretiertes Sein vor Augen hat? Und ist der Versuch zielführend, eine Klassifikation universeller Grundbedürfnisse aufzustellen (wie der capability approach dies unternimmt)? Kann eine solche Liste hinreichend konturiert formuliert werden? Möglicherweise folgt daraus sogar eine Erweiterung des Normprogramms, das über die Menschenrechte hinausgeht. Welche Auswirkungen hätte dies auf das Recht, beispielsweise für die Reichweite des ordre public-Gedankens?
Oder schimmert hinter dieser Vorstellung eines gleichen Rechts für alle nicht die Vorstellung von Gleichmacherei und Paternalismus? Könnte man auf die vorgeschlagene Weise dann nicht auch eine konkrete Regierungsform oder ein Familienideal deduzieren? Oder, fundamentaler, ist eine solche Entdeckungs-Idee des Rechts ohnehin vergeblich, weil Recht nicht gefunden, sondern erfunden werden muss? Spricht etwa für die Konventionalität des Rechts, dass die (rechtsethische) Beurteilung von Sachverhalten sich über die Zeit zu wandeln scheint – konkret: wenn das, was gestern Recht war, heute rückwirkend als unerträgliches Unrecht angesehen wird?
Eine gewisse Bedürfnisorientierung des Rechts könnte vielleicht unter der Annahme plausibel sein, dass in Bereichen asymmetrischer Machtverhältnisse oder Mittelarmut eine wirkliche rechtliche Freiheit nur dann gegeben ist, wenn (außerrechtliche) Ungleichheit kompensiert wird. Als Ausprägungen dieses Gedankens könnte man das Verbraucherrecht oder das Sozialrecht interpretieren. Stellt hier das Bedürfnis nach Anerkennung als Person Anforderungen an das Recht?
Oder aber ist das Verhältnis des Rechts zu der Natur der Menschen ein Umgekehrtes: Führen die ungezügelten Bedürfnisse zu Konflikten und die daraus resultierende schmerzliche Erfahrung dann zum einzäumenden Recht, weil die Akteure sicher leben wollen? Ist der Grund des Rechts nicht die Orientierung an den Bedürfnissen, sondern deren Einhegung? Kann man bei dieser Sichtweise das Recht noch als „choosing system“ sehen, als freiheitsermöglichend?
Die interdisziplinäre Jahrestagung des jfr soll diese (und damit verwandte) Fragen einerseits in ihrer theoretischen Dimension als genuin (rechts-)philosophische Probleme und andererseits in ihren praktischen Auswirkungen als juristische Gegenwartsprobleme bestehender Rechtsordnungen behandeln. In jedem Fall sollte dabei aber ein Bezug zum Recht erkennbar sein. Die Veranstaltung richtet sich vor allem an Doktorand(inn)en und Post-Doktorand(inn)en der Fächer Rechtswissenschaft, Philosophie, Politische Theorie und Soziologie. Wir würden uns zudem freuen, wenn sich Wissenschaftler(innen) aus dem Ausland beteiligen würden.