Ein Moot Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung. Die teilnehmenden Studierenden werden in einem fiktiven Fall als Anwälte tätig, die das Gericht schriftlich und mündlich von ihrer Position überzeugen müssen. Die Richterbank ist teilweise mit "echten" Richtern besetzt, teilweise auch mit Professoren und Praktikern aus dem jeweiligen Rechtsbereich. Entscheidend ist weniger die juristische Richtigkeit der vorgebrachten Argumentation, als die rhetorische Überzeugungskraft und Argumentationsfähigkeit.
Unter den verschiedenen Wettbewerben ist der Philip C. Jessup Moot Court der größte, älteste und wohl renommierteste Moot Court. Er ist nach dem US-amerikanischen Völkerrechtsgelehrten und ehemaligem Richter am Internationalen Gerichtshofs (IGH) Philip C. Jessup benannt. Begründet wurde er 1959 von Studenten der Universitäten Harvard, Columbia und Virginia. Organisator ist dabei die International Law Students Association (ILSA).
Bei dem Jessup Moot Court simulieren die Studierenden eine Gerichtsverhandlung in englischer Sprache vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Im schriftlichen Vorverfahren erarbeiten die Teilnehmer Schriftsätze (Memorials), die sie dann in der mündlichen Verhandlung, in Form von Plädoyers (Pleadings) verteidigen. Die Verfahrensregeln des IGH finden dabei Anwendung. Jedes Team tritt sowohl für die Kläger- wie auch die Beklagtenseite auf.
Nach ILSA-Angaben nahmen zuletzt etwa 3.000 Studierende von über 700 Universitäten aus circa 100 Staaten teil. 2020 haben sich 17 deutsche Teams an den German National Rounds beteiligt, von denen sich die besten drei Teams für die International Rounds in Washington D.C. qualifiziert haben. Bedauerlicherweise musste das internationale Finale aufgrund der COVID-19 Pandemie allerdings abgesagt werden.
In den letzten Jahren behandelten die umfangreichen und meist sehr aktuellen Fälle unter anderem das Recht des internationalen bewaffneten Konfliktes, das humanitäre Völkerrecht, das Seerecht, Internationales Wirtschaftsrecht, sowie Probleme der internationalen Terrorismusbekämpfung, der Idee der humanitären Intervention, des Verbots des Tragens religiöser Symbole, der Auslieferung eigener Staatsangehöriger, des Rechts eines Volkes auf Selbstbestimmung, des Einsatzes bewaffneter unbemannter Drohnen und des sog. „targeted killing“.
2012 hatte der Moot Court die Frage der Vertretung eines Staates auf völkerrechtlicher Ebene nach einem coup d'état, die Immunität von Staaten vor ausländischen Gerichten, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für den Einsatz von Gewalt im Rahmen einer sog. Koalition der Willigen sowie die Zerstörung einer kulturellen Stätte von besonderer Bedeutung zum Gegenstand.
2013 behandelte der Moot Court die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Fortbestand der Staaten, Migration und die Schuldenkrise behandeln.
Das Spannungsverhältnis zwischen Erschließung von Meeresressourcen und Schutz der Meeresumwelt, die internationale Strafgerichtsbarkeit sowie die Bergung von versunkenen Kunstgegenständen war im Jahr 2014 Gegenstand des Wettbewerbs.
2015 ging es um die Vertragsauslegung und -anpassung aufgrund grundlegend geänderter Umstände, die Rechtmäßigkeit von Gegenmaßnahmen (Repressalien) sowie prozessuale und materielle Fragen der Abspaltung eines Gebietes und der Annexion dieses Gebietes durch einen anderen Staat.
2016 lehnte sich der Fall an die NSA-Affäre an. Konkret beschäftigte sich der Jessup mit der Legalität elektronischer Massenüberwachung, der Beschlagnahme von Gegenständen zur elektronischen Massenüberwachung sowie der Verantwortlichkeit von Staaten, Personen zu verfolgen, die elektronische Massenüberwachung durchführen.
Der Jessup Sachverhalt im Jahr 2017 beschäftigte sich mit den Themen Wasserläufe, international massive Migration sowie Zugang zu Essen und Wasser. Die deutschen nationalen Ausscheidungsrunden fanden an der Universität Passau vom 08. bis zum 12. März 2017 statt.
2018 behandelte der Jessup internationale Schlichtungsverfahren, die Festsetzung eines autonomen Unterwasserfahrzeugs, den Verstoß gegen Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung, und Fragen zulässiger Seekriegsführung.
Im Jahr 2019 befasste sich der Jessup Sachverhalt mit der Verantwortlichkeit von Staaten für Umweltschädigungen, Menschenrechtsverletzungen und die Verwendung von Stammeswissen zu kommerziellen Zwecken durch Unternehmen.
Inhalt des Jessup Sachverhalts 2020 war die Entwicklung und Verwendung autonomer Waffensysteme entlang der Grenze, die Immunität von Außenministern für Kriegsverbrechen, und internationale Verfahren im Mehrebenensystem.
Zeitaktuell beschäftigte sich der Jessup 2021 mit dem Ausbruch einer globalen Pandemie, und den staatlichen Verpflichtungen hierzu, sowie Zuständigkeitsfragen des IGH, politisches Asyl und die Verantwortlichkeit von Staaten für Flugzeugexplosionen.
2022 drehte sich der Sachverhalt des Jessup Moot Courts um die Verwendung von illegal erlangten Beweismitteln vor dem IGH, die Einmischung in Parlamentswahlen durch fremde Staaten, die staatliche Anordung einer Social-Media-Sperre, und die Zulässigkeit von extraterritorialen Cyber-Operationen.
Der Jessup 2023 behandelte Fragen bzgl. der Interpretation eines Friedensvertrages, tödliche Angriffe in vermeindlich besetzten Territorien, unilaterale Wirtschaftssanktionen, und die rechtlichen Konsequenzen der fehlerhaften Beseitigung von Gefahrstoffen.
2024 ging es um das Recht auf politische Meinungsäußerung, Staatenlosigkeit, das Recht auf eine Staatenangehörigkeit und einhergehende Konsularrechte, und die Kompetenz des UN-Sicherheitsrates für Resolutionen zur friedlichen Streitbeilegung.
Im Durchgang 2025 thematisierte der Jessup Sachverhalt die Rechte und Pflichten der internationalen Staatengemeinschaft bei doppelter Inanspruchnahme des Präsidentenamts, die Immunität von ehemaligen Ministern bei schweren Menschenrechtsverletzungen, die rechtlichen Konsequenzen bei zurückweichenden Küstenlinien, und die Interpretation einer vertraglichen Schlichtungsklausel.
Der kommende Jessup Fall 2026 beinhaltet folgende Themen:
Nach Auswahl des Teams (Anfang bis Mitte Juli) werden bereits erste Arbeitsaufträge an das Team vergeben. Hierbei handelt es sich um eine erste Einarbeitung in den Themenkomplex, mit dem sich der Sachverhalt beschäftigen wird. Außerdem finden zu dieser Zeit schon die ersten speziellen Einführungskurse (Einführung in die Jessup Thematik, Einführung in die völkerrechtliche Recherche) statt.
Der eigentliche Wettbewerb beginnt Mitte September mit der Ausgabe des Sachverhalts. In den folgenden (circa vier) Wochen analysiert das Team unter Anleitung der Coaches den Sachverhalt und führt eine umfassende Recherche zu den einzelnen Fragen durch. Die TeilnehmerInnen präsentieren ihre Ergebnisse im Rahmen der wöchentlichen Arbeitstreffen. Nach rund einem Monat Recherche wird mit dem sogenannten "Drafting" begonnen, also dem Erstellen der Schriftsätze. Jedes Team muss für den Kläger und den Beklagten einen Schriftsatz (Memorial) erstellen. Die Memorials haben einen Umfang von rund 35 Seiten (nur Hauptteil) und sind auf Englisch abzufassen. Die Schriftsatzphase ist sehr zeitintensiv und erfordert auch regelmäßiges Arbeiten am Wochenende. Die Schriftsätze müssen bis Mitte Dezember soweit fertig sein, dass sie Korrektur gelesen werden können. Mit den ersten internen Probepleadings wird vor der Weihnachtspause begonnen.
Nach der Weihnachtspause sind die Anmerkungen der KorrektorInnen einzuarbeiten. Aufgrund der nahenden Abgabefrist Mitte Januar haben die TeilnehmerInnen hierfür nur wenig Zeit. Unmittelbar nach Abgabe der Schriftsätze finden zahlreiche Probepleadings statt - teilweise in Passau, teilweise aber auch bei internationalen Wirtschaftskanzleien in München, Frankfurt am Main und Wien. Das Team wird voraussichtlich eine ganze Woche in Frankfurt sein.
Gegen Ende der vorlesungsfreien Zeit des Wintersemesters steht der nationale Vorentscheid des Jessup Moot Courts an, der sich über eine Woche hinzieht. In der Vorrunde tritt dabei jedes Team insgesamt vier Mal an - zweimal als Antragssteller und zweimal als Antragsgegner. Die mündlichen Vorträge sowie die Memorials entscheiden darüber, ob das jeweilige Match gewonnen wurde oder nicht. Abhängig von der Anzahl der teilnehmenden Teams gibt es ein Viertelfinale, für das sich die acht besten Vorrundenteams qualifizieren. Die Sieger im Viertelfinale qualifizieren sich für das Halbfinale, die Halbfinalsieger für das Finale - die German Championship Round. Mindestens die beiden Finalteilnehmer qualifizieren sich für die International Rounds, die Anfang/Mitte April in Washington D.C. (USA) stattfinden.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Jessup Moot Court wird eine sogenannte Freischussverlängerung im Sinne der JAPO gewährt.
Da der gesamte Moot Court auf Englisch stattfindet, festigen sich die Englischkenntnisse der teilnehmenden Studierenden in Wort und Schrift. Zudem erwerben die Teilnehmer im Rahmen dieses "Intensivsprachkurses" auch viel fachspezifisches Vokabular. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten einen Sprachenschein (§ 24 Abs. 2 JAPO). Höchstwahrscheinlich kann mit der Teilnahme auch die Fachspezifische Fremdsprachenprüfung II in Englisch abgelegt werden. Details hierzu klären wir gegenwärtig noch ab.
Durch zahlreiche Probeverhandlungen bei internationalen Wirtschaftskanzleien besteht für die Teilnehmer die Möglichkeit, verschiedene Kanzleien kennenzulernen, mit den Anwälten Einzelgespräche zu führen und sich Praktika- oder Referendariatsplätze zu sichern.
Dank finanzieller Unterstützung können die Reisekosten zu den Probeverhandlungen in München und Frankfurt sowie zu den National und International Rounds (Qualifikation vorausgesetzt) zumindest größtenteils übernommen werden.
Die Teilnahme am Jessup Moot Court bietet den Studierenden schon vor Studienende die Möglichkeit, in die Rolle eines Anwalts zu schlüpfen. Es geht nicht darum, einen Fall gutachtlich zu lösen und dieses Gutachten dann nüchtern vorzutragen, sondern für "seine" Partei zu argumentieren.
Die mündlichen Verhandlungen stellen zudem einen intensiven Rhetorikkurs dar. Es ist bei dem Jessup Moot Court üblich, dass die Richter den Vortrag regelmäßig mit Zwischenfragen unterbrechen. Hierauf gekonnt einzugehen, dabei jedoch das Zeitlimit nicht außer Augen zu verlieren, sind wesentliche Fähigkeiten, die die Teilnehmer während des Moot Courts erwerben. Die Teilnahmen an einem Moot Court kann außerdem, nach Abschaffung der mündlichen Prüfung im universitären Teil der Ersten Juristischen Prüfung, die einzige nennenswerte Vorbereitung auf die mündliche Prüfung im Staatsteil des Examens darstellen.
Da sowohl die Schriftsätze als auch die mündlichen Verhandlungen nur in Teamarbeit durchführbar sind, erwerben die teilnehmenden Studierenden Kompetenzen im Bereich Teamfähigkeit.
Durch die intensive Beschäftigung mit Fragen des Völkerrechts vertiefen die teilnehmenden Studierenden ihre Völkerrechtskenntnisse. Eine Schwerpunktklausur im Völkerrecht beziehungsweise die mündliche Prüfung im Völkerrecht ist danach ein Kinderspiel.
Das Team muss die Schriftsätze eigenständig erstellen und auch die Verhandlungen eigenständig führen.
Der Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht (Prof. Dr. Hans-Georg Dederer) unterstützt das Team hierbei nur im Rahmen des Zulässigen. Dazu gehört, neben der Beschäftigung eines Coaching-Teams als Ansprechpartner:
Daneben werden wir von zahlreichen Unternehmen und Kanzleien unterstützt (siehe Unsere Partner) - sei es in Form von Probeverhandlungen, sei es durch finanzielle Zuwendungen. Gerade aufgrund der finanziellen Zuwendungen ist es uns bisher stets möglich gewesen, die finanzielle Belastung der teilnehmenden Studierenden bei Null zu halten.
Studierende müssen an der Universität Passau immatrikuliert sein und dürfen noch nicht über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügen. Nicht erforderlich ist, dass der Studierende Jura studiert. Weiterhin müssen die Teilnehmenden zwischen September und März überwiegend in Passau sein und bereit sein das notwendige Maß an Zeit zu investieren, da der Moot Court zeitintensiv ist.
Teilnehmende sollten (müssen aber nicht):
Während des laufenden Wettbewerbs werden keine Bewerbungen entgegengenommen. Nähere Informationen über den jeweils laufenden Wettbewerb finden sich links im Reiter. Die Bewerbungsphase für die jeweils nächste Saison startet im Mai eines jeden Jahres.
Die großen Moot Courts (Jessup, Vis, etc.) sind allesamt sehr zeitintensiv - was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass für die Teilnahme eine "Freischussverlängerung" gewährt wird. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es möglich ist, neben dem Moot Court noch Leistungen im Studium zu erbringen - sofern sich dies auf einzelne Schwerpunktleistungen (beispielsweise mündliche Schwerpunktleistung) oder einzelne Klausuren (beispielsweise eine Klausur im Rahmen eines "Großen Scheins") beschränkt. Neben dem Moot Court im geringen Umfang zu arbeiten ist ebenfalls möglich. Unsererseits wünschenswert ist es, dass alle Teammitglieder während der eigentlichen Wettbewerbszeit in Passau sind. Längere Urlaube oder Praktika sind in dieser Zeit neben dem Moot Court leider nicht möglich. Sollten konkrete Fragen zum Zeitaufwand bestehen, stehen wir gerne zur Verfügung.
Wir nehmen gegenwärtig Bewerbungen für die 67. Runde (2025/2026) des Jessup Moot Court entgegen. Aussagekräftige Bewerbungen sollten aus einem Motivationsschreiben (auf Englisch), Lebenslauf, Leistungsnachweisen (HISQIS-Auszug, Abiturzeugnis, Sprachnachweise soweit vorhanden), der Immatrikulationsbescheinigung für das Wintersemester an der Universität Passau, sowie weiteren Dokumenten, die Ihr als für Eure Bewerbung dienlich erachtet, bestehen. Bewerbungen sind bis spätestens 15. Juni 2025 ausschließlich per E-Mail als ein pdf-Dokument an jessup@uni-passau.de zu richten.
Eine Auswahl der BewerberInnen wird zu einem Workshop eingeladen, der voraussichtlich 28. Juni 2025 stattfinden wird. BewerberInnen werden hierüber nach Bewerbung noch gesondert informiert. Weiterhin finden in der Woche vom 23. - 27. Juni (nach Absprache) Bewerbungsgespräche statt. Bitte haltet euch hierfür etwas Zeit frei.
Zusätzlich findet Ihr hier ein Dokument mit allen relevanten Informationen.
Alle Fragen könnt Ihr an jessup@uni-passau.de richten.
Wir freuen uns auf Eure Bewerbung!
Nach Ablauf der Bewerbungsfrist werden die eingegangenen Bewerbungen anonymisiert und von den Coaches sowie von Herrn Professor Dederer gesichtet und evaluiert. Bewertungskriterien sind dabei
Eine Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber wird zu einem Workshop eingeladen, der voraussichtlich am 28. Juni in Passau oder über Zoom stattfindet. BewerberInnen werden hierüber nach ihrer Bewerbung gesondert informiert. Bitte haltet euch diesen Zeitraum vorsorglich frei.
Nähere Informationen zum Zeitablauf befinden sich hier.
Mehr Informationen zum Jessup Moot Court generell stellt die ILSA als Organisatorin auf ihrer Website bereit: http://www.ilsa.org/jessup/
Einen illustrativen Bericht früherer TeilehmerInnen der Unversität Bochum ist hier verfügbar: https://voelkerrechtsblog.org/de/participants-reflections-on-the-2023-jessup-german-national-rounds/
Für Fragen zum Moot Court jeglicher Art (Teilnahme, Unterstützung des Passauer Teams, ...) stehen wir gerne per E-Mail unter jessup@uni-passau.de zur Verfügung.
Gerne vermitteln wir auch den Kontakt zu ehemaligen TeilnehmerInnen für Fragen insbesondere zum Arbeitsaufwand.