Sommersemester 2017
Erfahrungsbericht, Matthias Haag (Teilnehmer im Sommersemester 2017)
Mancher Kommilitone mag sich die Frage stellen, wer sein erster Mandant sein wird, den er nach seinem Studium beraten oder was der erste Fall, den er in der Praxis bearbeiten, sein wird. Nach einer Teilnahme als „Law Angel“, wie die Berater im Team der Law Clinic des Herrn Professor von Lewinski genannt werden, weiß man dies. Mein Name ist Matthias Haag und ich war in meinem vierten Semester an unserer juristischen Fakultät Mitglied im Team eben dieser Law Clinic. Von meinen Erfahrungen und was ich durch die Teilnahme gewonnen habe möchte ich hier berichten:
Die Passauer Law Angels beraten Start-Ups, welche am Gründungszentrum Niederbayern, ein staatliches Projekt zur Förderung junger innovativer Geschäftsideen, ihren Hauptsitz haben, in Fragen, die mit ihren Ideen und der Gründung einhergehen. Freilich stellt das RDG (Rechtsdienstleistungsgesetz), das sonst sehr streng ist, wenn es darum geht die Aufgaben der Volljuristen zu schützen, Anforderungen an diese in seinen Worten „Laienanwaltstätigkeit“: Zulässig sind studentische Rechtsberatungen nur, wenn deren Schaffen durch einen Volljuristen „angeleitet“ ist (§ 6 II RDG).
Für uns bedeutete dies eine Einteilung des Projekts in zwei Phasen – die Theorie- und die folgende Praktikumszeit. In der ersten hatten wir unter dem laufenden Semester eine wöchentliche Zusatzveranstaltung durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Lehrstuhls, Dominic Habel. Dieser gab uns Einführungen in die Gebiete, aus denen die Fragen der Mandanten stammen würden – aber auch zur Bedeutung anwaltlicher Tätigkeit und an dafür erforderliche Methoden der Praxis lernten wir dazu. Im Unterschied zu den sonst bekannten Vorlesungen liefen diese Anleitungen eher wie in einem Gespräch ab. Spontane Einfälle wurden in der Runde gleich diskutiert wenn sie aufkamen, Fragen beantwortet sobald sie sich stellten und wenn es erforderlich war so viele Beispiele gegeben wie nötig, um uns unser Tätigkeitsfeld anschaulich zu machen. Dabei hieß aber „anleiten“ auch wirklich an-leiten: Der Stoff wurde stets in genau der Tiefe vermittelt, um uns ein Gespür für das Rechtsgebiet zu geben und damit wir ahnen konnten, was in dem Gebiet relevant werden würde. Es blieb also auch noch genug für ein am Fall orientiertes Selbststudium übrig – wie es auch in der Praxis stets erforderlich ist.
Zum Ende der Theoriephase bereiteten wir uns auf die Praktikumsphase u.a. durch simulierte Mandantengespräche vor. Und mit Beginn der vorlesungsfreien Zeit war es dann soweit – es ging aus der Uni hinaus in die Praxis. Gleich am ersten Tag lernten wir die Mandanten im Konferenzraum des Gründerzentrums Niederbayerns kennen. Allesamt junge, aufgeschlossene Entrepreneure, die für ihre Geschäftsideen brennen. Die vertretenen Unternehmen waren die Regiothek, ein Infoportal für regionale und biologische Lebensmittel, ein neuartiges soziales Netzwerk und ein Projekt, das etablierten Jobbörsen wie Xing oder Linkedin Konkurrenz zu machen strebt. Man vermittelte uns das Gefühl als Berater ernstgenommen zu werden, so als wären wir etablierte Anwälte, denen ihr Ruf vorauseilt und nicht die Studenten von der Uni, die zum ersten Mal einen echten Fall bearbeiten und Praxisluft schnuppern wollen. Das uns entgegengebrachte Vertrauen von Seiten der rechtssuchenden Gründer motivierte uns und war unser Antrieb. Der Gedanke einen kleinen Teil zur Arbeit der Start-Ups beizutragen begeisterte uns. Den Rest der Woche verbrachten wir damit selbstständig in weiteren Meetings mit den einzelnen Mandanten die relevanten Tatsachen für die rechtliche Beantwortung der Fragen herauszuarbeiten. Dass der Fall, anders als von der Uni gewohnt, nicht schwarz auf weiß in DinA4 ausgedruckt uns übergeben wurde, sondern wir selbst mit einem Pendelblick zwischen gesetzlichen Regelungen und dem Gesprächsinhalt durch gezielte Fragen den real existierenden Fall ermittelnd zu Papier bringen mussten, war wohl der größte Unterschied zur sonst gewohnten Fallbearbeitung. Ansonsten arbeiteten wir an den Fällen wie an einer Hausarbeit jeder für sich auf sein Thema spezialisiert – Schwerpunktsetzung, Brainstorming, Literaturrecherchen und die Ergebnisse auf Papier bringen. Anders aber als bei den üblichen Hausarbeiten war es nicht die Anforderung, das rechtliche Problem wissenschaftlich zu ergründen sondern für die Praxis geeignete Lösungen für einen Nichtjuristen zu liefern.
Auch während des Praktikums wurden wir durch Herrn Habel angeleitet. In Tagungen, die zum Teil während eines gemeinsamen Frühstücks abgehalten wurden, diskutierten wir unseren aktuellen Stand der Arbeit, diskutierten Ideen und Lösungsansätze und halfen uns gegenseitig. Dabei stellte Herr Habel wieder unsere Selbstständigkeit in den Vordergrund und seine Meinung nur dann ein, wenn es wirklich erforderlich war. Zum Schluss des Praktikums waren unsere Gutachten fertiggestellt und die Ergebnisse verglichen. Nach der Präsentation unserer Arbeit vor den Mandaten ging die Zeit als Law Angels für uns zu Ende.
Abschließend lässt sich sagen, dass dieses Praktikum eine Chance für jeden ist, der in den vier Wochen die Praxis nicht nur gezeigt bekommen, sondern selbst wirklich erfahren möchte. Neben einem Fundament an Wissen über gewerbliche Schutzrechte und Lebensmittelinformationsrecht, zwar fürs Examen weniger relevante aber für die Zeit danach sehr bedeutsame Gebiete, sind es vor allem die Eindrücke von Teamgeist, der Bewältigung von Herausforderungen und die Bestätigung, dass mir die Arbeit Freude bereitet, die sich an das Studium anschließen wird, die mir bleiben werden. Jedem, der diese Erfahrungen machen möchte, kann ich daher die Passauer Law Clinic empfehlen.