Die Studierenden kritisieren in der Süddeutschen Zeitung die Streichung von Semesterabschlussklausuren:
Klausuren während des Studiums würden als eine Art Auffrischung dienen. Wenn es sie in bestimmten Fächern nicht mehr gebe, so Noll, verleite das dazu, den gesamten Stoff erst geballt vor dem Examen zu lernen.
Die Reform der Studien- und Prüfungsordnung hat vielfach Fragen aufgeworfen. Tatsächlich hat sich schon vor dieser Umstellung das Prüfungswesen an der Juristischen Fakultät grundlegend verändert: Bislang erfolgte die Korrektur von Zwischenprüfungsklausuren ebenso wie von Klausuren und Hausarbeiten im Hauptstudium weit überwiegend durch qualifizierte externe Prüferinnen und Prüfer (§ 2 Abs. 3 HSchPrV). Eine wesentliche Änderung im Jahr 2025 bestand darin, dass diese für das Studium zentralen Arbeiten ausschließlich durch Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter korrigiert werden, die selbst in der Lehre tätig sind. So kann ein noch engmaschiger Bezug zu den Vorlesungen und der Examensvorbereitung garantiert werden. Insoweit nehmen wir die Prüfungen im Studium ernst.
Gute Korrektorinnen und Korrektoren sind nicht leicht zu finden: Eine Vergütung für die Korrektur darf aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben ausschließlich an Personen gezahlt werden, die an keiner bayerischen Universität beschäftigt sind, nicht in Bayern ihr Referendariat absolvieren und auch sonst nicht beim Freistaat Bayern angestellt sind. Derartige Freiwillige (aus anderen Bundesländern oder der Anwaltschaft) sind aber in der Regel nicht mit den Besonderheiten des Studiums in Passau vertraut und liefern oftmals sehr knappe Korrekturanmerkungen, mit denen Studierende wenig anfangen können.
Allerdings bedeutet dies bei rund 300 in 120 Minuten angefertigten handschriftlichen Bearbeitungen naturgemäß einen gewaltigen Zusatzaufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch in erheblichem Umfang Raum zu eigener Forschung und Lehre haben sollen (Art. 73 Abs. 1 BayHIG). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich daher nachvollziehbar für eine Konzentration der Korrekturlast auf wichtige Prüfungsleistungen ausgesprochen. Statt die Bearbeitungszeit zu verkürzen oder sogar auf Mehrfachwahlprüfungen (Multiple Choice) umzusteigen, wie es in anderen Fächern üblich ist, hat die Juristische Fakultät der Universität Passau sich nach eingehender Diskussion auch mit den Mitgliedern der Fachschaft entschieden, sich stattdessen auf die ernsthaften Prüfungen zu konzentrieren, um dort eine hochwertige Korrektur zu gewährleisten.
In der Sache sind thematisch ausschließlich die bisherige Abschlussklausur zum „Grundkurs Europarecht und Internationales“ sowie die bisherige (Gesamt-)Abschlussklausur zum „Besonderen Verwaltungsrecht“ (Polizeirecht, Kommunalrecht, Baurecht) weggefallen. Hintergrund dieser Entscheidung war einerseits die Beobachtung, dass viele Studierende (was bereits nach der alten Studien- und Prüfungsordnung möglich war) ausschließlich Klausuren in der „Übung für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht“ geschrieben haben und andererseits, dass die Themen der gestrichenen Klausuren ohnehin in der Übung für Fortgeschrittene behandelt wurden und werden.
Der Wegfall ist aber nicht ersatzlos – stattdessen werden die Klausuren in der Übung für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht aufgewertet: Während bislang stets Gerüchte und Andeutungen über die Inhalte der nächsten Klausur kursierten, soll das Thema künftig (wie auch in der Staatsprüfung) überraschend sein und insbesondere Fragen des Besonderen Verwaltungsrechts, des Staatshaftungsrechts und des Europarechts (auch in Verbindung mit anderen Problemen, etwa zu Grundrechten, Allgemeinem Verwaltungsrecht, etc.) behandeln. Damit erfüllt die Übung für Fortgeschrittene die ihr zugedachte Funktion einer Stufe zwischen der Zwischenprüfung und dem Examensklausurenkurs. Statt dem vielkritisierten "Bulimielernen" von Einzelklausur zur Einzelklausur wird man so sukzessive zu einem breiten Stoffverständnis und zur Verknüpfung der Fachinhalte hingeführt.
Betroffen ist zudem nach dem aktuellen Studienplan nur das vierte Studiensemester – denn spätestens ab dem siebten Semester soll ohnehin mit der Examensvorbereitung begonnen werden, und für das sechste Semester war schon bislang die Übung für Fortgeschrittene vorgesehen. Dass die Studierenden das vierte Semester zur reinen Erholung nutzen, ist aber nicht anzuraten – insbesondere wird die Übung im Öffentlichen Recht auch im fünften Semester angeboten und der Besuch der Vorlesungen zum Europarecht sowie zum Besonderen Verwaltungsrecht ist aus den geschilderten Gründen für das Bestehen dieser Klausur unverzichtbar. Diese Bündelung von Kompetenzen ist sinnvoll, um inhaltliche Blöcke zu bilden – daher sind auch die zweisemestrigen Grundkurse seit jeher zu einer Einheit mit jeweils zwei Klausuren verknüpft, die inhaltlich zusammen geprüft werden.
Ziel der Reform ist auch, Anreize für eine möglichst frühe wöchentliche Teilnahme am Examensklausurenkurs zu setzen. Die dort angebotenen fünfstündigen Probeklausuren entsprechen von Umfang und Schwierigkeit den Inhalten der Ersten Juristischen Staatsprüfung und bieten dementsprechend eine viel bessere Übungsgelegenheit als die nur zweistündigen Abschlussklausuren: Diese können nur einen klar umgrenzten Stoff behandeln und sind noch mehrere Zwischenschritte von der Staatsprüfung entfernt – sie bereiten allenfalls auf Klausuren in den Übungen für Fortgeschrittene vor, die es aber weiterhin gibt und die man bei Nichtbestehen unbegrenzt oft wiederholen darf.
Wer trotzdem mehr „kleine“ Klausuren schreiben will, kann sich parallel zum Staatsexamensstudiengang für den LL.B. Legal Tech einschreiben, in dem etwa auch Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie das Europarecht als eigene Klausur angeboten werden.