Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass insbesondere der Wegfall der Hausarbeiten den Studierenden Sorgen bereite:
In Hausarbeiten übe man, sich kritisch mit Rechtslagen auseinanderzusetzen und wissenschaftlich zu arbeiten. Das sei es doch, was ein Studium ausmache, so Noll. Seine Kommilitonin Sinja Lippstreu stimmt zu: In den Hausarbeiten löse man selbst Fälle, das ist genau das, was man später braucht‘.
Nur kurz sei darauf hingewiesen: Die in der Ersten Juristischen Staatsprüfung übliche Lösung von Fällen ist sämtlichen Klausuren ab dem ersten Semester gemeinsam und gerade keine Besonderheit von Hausarbeiten.
Tatsächlich wurden Fallhausarbeiten bereits 2003 in den letzten Bundesländern aus dem Examensprogramm gestrichen. Gerade der Freistaat Bayern hatte schon weit vorher die Hausarbeit wegen ihres hohen Risikos für Täuschung als ungeeignetes Prüfungsformat für die Staatsprüfung verworfen und verlangt dementsprechend auch keine Hausarbeiten für die Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung (EJS). Die beim Schreiben einer Hausarbeit erworbenen Kompetenzen bereiten insoweit schon seit über 20 Jahren nicht mehr unmittelbar auf die Erste Juristische Staatsprüfung vor.
Dem entspricht die Beobachtung, dass Passauer Studierende bislang vielfach erst an (Fall-)Hausarbeiten teilgenommen haben, nachdem sie die (als Teil der Juristischen Universitätsprüfung zwingende) wissenschaftliche Arbeit (Themenarbeit) im Schwerpunktbereich bereits abgegeben hatten. Die in der Hausarbeit erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten konnten sie damit aber gar nicht verwerten. Durch eine zielgerichtete Gestaltung des Studienverlaufs und das Angebot neuer Veranstaltungen in der Vorlesungszeit sollen künftig stärkere Anreize für eine gezielte Vorbereitung auf die Abschlussleistung gesetzt werden.
Aus Sicht der Fakultät soll künftig die Vorbereitung auf die „studienbegleitende wissenschaftliche Arbeit von vier bis sechs Wochen Bearbeitungszeit“ nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JAPO, die zwingender Teil der Juristischen Universitätsprüfung ist (und ggf. eine spätere Promotion) im Vordergrund stehen. Hierzu ist aber das Schreiben einer sog. „Themenarbeit“ zu üben, bei der gerade nicht ein Lebenssachverhalt einer juristischen Lösung zuzuführen ist, sondern eine (eigene) These wissenschaftlich analysiert und diskutiert werden muss.
Erforderlich ist insoweit die eigene Recherche zu einem Thema als in jeder Wissenschaft unverzichtbare Fähigkeit. Ob die bisherigen Hausarbeiten im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht, bei denen alle Studierende einen identischen Sachverhalt in einem Rechtsgutachten bearbeiten mussten, diese Fähigkeit überhaupt vermitteln konnten, ist unter Fachleuten sehr umstritten. Trotz ähnlicher formaler Einkleidung (etwa im Hinblick auf Zitierstile, den Einsatz von Fußnoten und die Bedienung von Microsoft Word), waren die Fallhausarbeiten nämlich inhaltlich in keiner Weise vergleichbar.
Anders als in anderen Studiengängen (z.B. im Bachelorstudiengang LL.B. Legal Tech oder im Masterstudiengang LL.M. Deutsches Recht für ausländische Studierende) gab es bislang auch keine regelmäßigen und flächendeckenden Veranstaltungen, um wissenschaftliches Schreiben zu erlernen. Stattdessen flossen die Lehrkapazitäten der Fakultät in die Erstellung, Korrektur und Besprechung der genannten Fallhausarbeiten. Die nun freigewordenen Kapazitäten sollen zur besseren Vorbereitung eingesetzt werden: So wird es im Wintersemester 2026/2027 etwa eine Veranstaltung zum wissenschaftlichen Arbeiten und interaktive Proseminare geben, in denen man sich an die Herausforderung schrittweise herantasten kann. Dies ist im Sinne der Studierenden eine bessere und sachnahe Vorbereitung auf das wissenschaftliche Schreiben.
Durch die neuen Formate soll ein wissenschaftsnaher Zugang geschaffen werden. Gleichzeitig werden aber auch – wie schon bisher – in den Vorlesungen Anregungen zur eigenständigen Recherche integriert, sodass der Weg in die Bibliothek auch weiterhin attraktiv bleibt. Die Juristische Fakultät investiert dazu in die Möglichkeit zum Heimzugang auf juristische Fachdatenbanken als "digitaler Bücherei" aber auch in verlängerte Öffnungszeiten der Fachbibliothek.